18.06.2016 | ![]() |
Chile | Paso Icalma | 36385 km | Tag 1203 |
Dass ich einmal von zu Hause aus, rund 13000 km Luftlinie vom beschriebenen Ort entfernt, einen Bericht zu meiner Reise schreibe, hatte ich, als ich noch durch die Berge der Anden fuhr, nicht gedacht. Wenigstens sorgt die südamerikanische Musik aus dem Internet und hin und wieder ein Mate, ein Tee-Aufguss-Getränk, für ein wenig passende Stimmung.
Doch der warme, deutsche Sommer, auf den ich mich gefreut hatte, ist bisher eine Katastrophe. Soviel Regen hatte ich seit Monaten nicht mehr erlebt. Immerhin ist es wärmer, als ich vor acht Wochen in den nordpatagonischen Bergen unterwegs war. Denn als ich zur Dämmerungszeit die Grenze am 1200 m hohen Paso Mamuil Malal nach Chile überschritt, lag die Temperatur schon nahe des Gefrierpunktes. Flott ging es dann auf einer neu asphaltierten Straße, durch dichten, herbstlich bunten Wald, abwärts. Als mich in einem Dorf ein 13-jähriger Junge ansprach, merkte ich sofort, dass ich nicht mehr in Argentinien war. Vjndwjerbkvjqkgvbwhdbkegbgfhvbcgjhmlmjfc....Wie bitte? Ich hatte so gut wie kein Wort verstanden. Denn die Chilenen sprechen manchmal unglaublich schnell und lassen noch dazu einige Buchstaben am Ende der Wörter weg. Ich sagte ihm, er solle doch bitte nochmal langsam wiederholen, was er gesagt hatte. Sabekrfvienebwvchknfcnhombreconbgjnhbdvaca. Das war zwar nicht wirklich langsamer, aber immerhin hatte ich soweit verstanden, was er wollte. Er fragte mich, ob zwei Männer mit einer Kuh kommen. Ja! Aber sie sind noch einige Kilometer entfernt, sagte ich zu ihm.
Auch in anderen Dingen merkte ich, dass ich wiedermal die Grenze zu einem anderen Land überschritten hatte. Die Häuser sind meist mit Holzbrettern verkleidet, alle paar Kilometer steht an dieser Straße ein Schild, dass zu Radfahrern 1,5 m Sicherheitsabstand zu halten ist, woran sich aber trotzdem nur wenige halten, und die Bewohner sind meist leicht dunkelhäutigere Menschen, da hier größtenteils Mapuche, die Ureinwohner, leben, die sich über viele Jahrhunderte den europäischen Einwanderern gewaltsam, erfolgreich widersetzt hatten. Erst seit einhundertfünfzig Jahren können sich auch Chilenen aus dem Norden und europäische Einwanderer, darunter auch viele Deutsche, in diesem Teil Chiles niederlassen.
In Pucon, eine kleine, touristische Stadt am See Villarica, wo ich mich einige Tage aufhielt, genoss ich nicht nur die angenehme Atmosphäre, dieser sauberen und gepflegten Stadt, sondern auch eine wohltuende Wärme mit bis zu 15°C. Nicht lachen, für mich war das in diesen Tagen, nach langer Zeit im kühlen Patagonien wirklich angenehm warm.
Einige Tage später versuchte ich in der Stadt Villarica für eine Nacht in einer Kirche unterzukommen. Doch weil angeblich kein Platz wäre, wies man mich ab. Auch bei der Feuerwehr, die nach den Erzählungen anderer Radler stets sehr gastfreundlich sei, hatte ich kein Glück. Da wünschte ich mir wiedermal, ich wäre eine Frau oder ich hätte eine Frau an meiner Seite. Denn dann ist es in solchen Situationen meist kein Problem einen Platz für die Nacht zu bekommen.
Ich verließ dann die stark befahrene Hauptstraße entlang des Sees und fuhr auf ruhigen Straßen durch eine hügelige Landschaft wieder in Richtung der argentinischen Grenze.
Als ich auf einer schmalen Schotterstraße aufgrund eines entgegenkommenden Autos zu nah an den Straßenrand, wo sich loses Gestein angehäuft hatte, kam, zog es mir mein Vorderrad sofort weg und ich stürzte auf die Fahrbahnseite, kurz bevor das Fahrzeug an mir vorbeifuhr. Viel Platz war zwischen mir und den Rädern des Autos nicht mehr. Aber glücklicherweise ist außer ein paar Kratzern an Rad und Taschen nichts Schlimmeres passiert. Das Schlimmste jedoch, was meiner Meinung nach passierte, war, dass der oder die Fahrer(in) ohne zu stoppen und wenigstens mal zu fragen, ob alles in Ordnung sei, einfach weiterfuhr.
Nach einer Woche in Chile war ich dann ein wenig froh, bald wieder in Argentinien zu sein. Irgendwie hatte ich mich schon zu sehr an Argentinien gewöhnt. Oder vielleicht lag es auch an der sehr misstrauischen Art mancher Chilenen dort. Obwohl es misstrauische Menschen auch in Argentinien gibt.
Einfach wurde Fahrt zur Grenze jedoch nicht. Denn ich musste am Ende eines Tales von 500 m bis auf 1300 m Höhe hochkurbeln. Doch die schöne Natur mit den über 2000 m hohen, leicht schneebedeckten Berggipfeln, den herbstlich bunten Bäumen und weiter oben, den vielen Araukarien, einer Baumart, die in Südamerika fast nur in dieser Region wachsen, entschädigten für die Strapazen.
© 2019 engelonbike